Die heutige Dogwalking Runde war sehr lehrreich und daran möchte ich dich teilhaben lassen.

Bei der Abholung des Frenchies kam er mir mit einem Frisbee im Maul entgegen. Zu Beginn sagte ich noch „Süß, wie ein Kind das sein Spielzeug mit in den Kindergarten nehmen will.“ … Doch so süß war das nicht mehr, als die Halterin mir von den letzten Tagen berichtete. Am Wochenende war viel los, der Hormonchip lässt wohl nun gänzlich nach, läufige Hündinnen in der Nachbarschaft und dann noch die Vergesellschaftung mit einem anderen intakten Rüden. Was hat nun der Griff zum Frisbee für eine Bedeutung? Na logo, der Hund wollte sich für kurze Zeit wieder gut fühlen -> er wollte den Hormoncocktail hervorrufen. 

*Als Info: Die Vergesellschaftung wird von mir trainerisch begleitet und der Frenchie zeigte bislang dadurch kein Stresspotential. Das heute war aufgrund der Aktivitäten am letzten Wochenende und den aktuell läufigen Hündinnen in der Nachbarschaft*

Wir fuhren zum Wald und liefen los. Bereits nach wenigen Minuten fing der Frenchie an, sich auf dem Frisbee zu wälzen. Es war heute sehr warm, er entsprechend am hecheln … ich wartete ab, ob es Wälzen durch Wohlgefühl war oder Stressverhalten – da das Wälzen auf dem Frisbee stattfand, dachte ich bereits an letzteres und behielt recht. Wir liefen weiter und der Stresspegel stieg von Minute zu Minute. Das Wälzen hörte quasi gar nicht mehr auf. Ich hatte genug gesehen und unterbrach den Frenchie in seinem Verhalten – ich nahm den Frisbee weg und wollte kleinere Übungen etablieren. Doch bereits Sitz und Bleib waren unmöglich. Der Frenchie wurde sehr übergriffig, sprang an mir hoch, packte nach dem Frisbee usw. … Er war durch die hohe Erregungslage in einen Tunnel (ins Hinterhirn) geraten und es war klar, dass er da von alleine nicht mehr raus kommt. Zu allererst kam die Variante, durch kleine Fokus Übungen den Hund aus dem Hinterhirn wieder ins Vorderhirn zu holen (im Hinterhirn kann der Hund nur noch reagieren – im Vorderhirn agieren).  Dann kamen wir auch bereits an eine Örtlichkeit, die sich super anbot für eine Pause und somit zu einer Entspannungsübung. Die Zunge vom Frenchie war bereits leicht bläulich – was mich selbst erschrecken lies. Also die Pause war mehr als nötig. Man beachte: wir rannten nicht, machten keine sonderlichen Aktivitäten. Nur die hohe Erregungslage und die dadurch höhere Atemfrequenz war die Ursache. Der Frenchie entspannte binnen Minuten und das Schöne war auch: je entspannter er wurde, umso uninteressanter war der Frisbee!

Logische Folgerung: der Frisbee war für den Rest der Runde tabu – denn allein das Tragen lassen reichte aus, um diese hohe Erregungslage zu erreichen, also behielt ich ihn in der Hand. Der Frenchie hinterfragte natürlich ein paar Mal, ob er ihn nicht doch wieder haben könnte … doch ein klares „Nein“ genügte und er ging wieder seiner Wege. Nun konnte er auch wieder Erkundungsverhalten zeigen, sich auf das wesentliche einer Gassi Runde konzentrieren  – nämlich Geschäftchen verrichten – und er genoss die restliche Zeit mit schnuppern und Umwelt wahrnehmen. Er musste sich nicht 1 mal mehr wälzen.

Als wir zurück waren berichtete ich der Halterin und ihrer Mutter von dieser lehrreichen Runden und mir wurde erzählt, das man es so handhabe, durch Ballwurf-Spiele den Hund auszulasten – sie hielten das für eine gute Beschäftigung.

Das denken viele, daher ein eingeschobener Artikel zum Thema

Balljunkie

– das anerzogene Suchtverhalten

Die „Auslastung“ via Ballspiele kann sich zu einer massiven Verhaltensstörung entwickeln – gerade bei Hütehunden und Terriern. Denn …

Diese Ballspiele enthalten Sequenzen aus dem Jagdverhalten und ist somit für den Hund selbstbelohnend (körpereigener Hormoncocktail mit Adrenalin & Dopamin). Genau das ist die Ursache für das Suchtverhalten.

Was sind die Elemente des Jagdverhaltens?

Orten – Fixieren – Anpirschen – Hetzen – Packen – Töten – Zerreißen

Je nachdem was der Hund an Verhalten anbietet und was der Hundehalter verstärkt, haben wir beim Ballspiel die Elemente: Orten – Fixieren – Anpirschen (wenn der Ball aufgehoben wird und der Mensch in die Wurfbewegung geht) – Hetzen – Packen und je nach Hund auch das tot schütteln.

Was gibt es noch generell zum Balljunkie zu sagen?

„Der Balljunkie – Hund“ hat mit hoher Wahrscheinlichkeit so manches mit dem Ball / dem Spielobjekt verknüpft, nämlich:

– eine bestimmte Interaktion mit einem Spielobjekt extrem belohnend ist

– das Spielobjekt mit Erregung verknüpft
-> Die Quellen dieser Erregung sind:
Erwartung, Frustration, Bewegung (Jagdsequenzen) und ambivalente Erfahrungen durch aversive Ereignisse (Korrekturversuche durch den Hundehalter). Es ist ein nötiges Übel, die Beute wieder herzugeben, damit der Halter sie wieder werfen kann. Gibt der Hund die Beute nicht her, greift der Halter ein

– zudem hat er gelernt, dass es bestimmte Zeitfenster und bestimmte Orte gibt, an denen die Wahrscheinlichkeit für diese Interaktion besonders hoch ist. Also ist die Bezugsperson für den Beginn dieser Interaktion sehr wichtig und der Hund möchte natürlich, dass Ort und Zeit ausgedehnt wird -> Sucht Steigerung / Befriedigung. Somit steigt die Erregungslage, die Aufmerksamkeit gegenüber dem Halter wird drastisch verstärkt. Die meisten Hundehalter „können dem Hund nicht widerstehen“, geben nach und holen den Ball raus … 1:0 für den Hund. Bekommt der Hund nicht was er möchte, zeigt er aus Frustration unerwünschtes Verhalten um wiederum Aufmerksamkeit zu bekommen.

– die letztlich schlimmste Verknüpfung, die später fatale Folgen haben kann, ist:
Schalte Dein Gehirn aus und folge einem sich bewegenden Reiz. Das kann sich auch auf andere Reize übertragen.

Was der Hund zeigt, ist „exzessives Verhalten“:

Dazu ein Ausschnitt von Dr. Ute Blaschke-Berthold:
„Ursachen für diese mehr oder weniger auffallenden Verhalten finden wir in den Bereichen körperliche Gesundheit, Schmerzen, Angst, Frustration und chronischem Stress sowie der genetische Disposition.

Exzessive, repetitive und lang andauernde Verhalten können – wie jedes andere Verhalten auch – nur reduziert werden, wenn ihre Ursachen beseitigt werden. Lebensumstände, Umgangsstil, gesundheitliche Faktoren und Reaktionen auf das Verhalten tragen zu Entstehung und Erhalt diesem auffälligen Verhalten bei.“

Was macht dieses Spiel mit der Mensch-Hund-Beziehung?

Genau dieses Problem versuche ich meinen Kunden immer wieder deutlich zu machen, da ich durch einen Labbi (nicht der auf dem Bild 😊) selbst erleben musste, wie das ausarten kann:

Der Halter degradiert sich selbst vom Sozialpartner zu einer austauschbaren Ballschleuder – dem Hund ist letztlich egal, wer den Ball wirft – Hauptsache es tut jemand und dem Hund wird seine Sucht befriedigt. In meinem Fall hieß das damals, dass der Labbi über x Felder rannte, nur weil dort in der Ferne jemand stand und seinem Hund den Ball warf.

Der Hund wird auch immer öfters im Gehirn in der „Ballaballa Welt“ sein und dadurch unfähig, sich mit anderen Artgenossen / Menschen / Umweltreizen auseinanderzusetzen.

Schlussfolgernd: Ein Balljunkie ist kein erstrebenswertes Ziel! Es gibt so viele Möglichkeiten mit dem Hund Spaß zu haben, den Hund auszulasten – auf angenehme Art und Weise – ohne böse / gefährliche Konsequenzen. Und ja, das geht auch mit dem Ball – nur setze ihn künftig kontrolliert ein.

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